101 Jahre jung – im Kopf und im Herzen

Paul Naef aus Solothurn ist stolze 101 Jahre alt. Trotz Sehbehinderung beeindruckt er mit Lebensfreude, Disziplin und Neugier. Der frühere SBB-Angestellte trainiert im Fitnesscenter, macht im Yoga den Kopfstand und geht wandern. Sein Rezept: Bewegung, Struktur, Optimismus – und eine grosse Portion Dankbarkeit.

«Man bleibt nicht jung, indem man an früher festhält, sondern indem man sich jeden Tag für Neues interessiert. Bewegung hält den Körper wach, Neugier den Kopf. Ich will ver-stehen, was heute passiert – nicht nur, was gestern war.»

Volle Power trotz dreistelligem Alter

Wenn Paul Naef den Raum betritt, spürt man sofort seine Präsenz – offen, klar und herzlich. Er ist 101 Jahre alt und meistert sein Leben mit einer Selbstverständlichkeit, die manchem Jüngeren ein Lächeln entlockt. Paul wohnt allein in Solothurn, organisiert seinen Alltag selbstständig, liest Zeitung mit einem Spezialgerät, macht sein E-Banking selbst und schreibt sogar noch eigene Texte am Computer. «Ich bin gern auf dem neusten Stand», sagt er und meint das ganz wörtlich.

Sein Tag beginnt strukturiert um 06.45 Uhr. Nach dem Zmorge erledigt er seine Hausarbeiten und sorgt dafür, dass Ordnung herrscht. Einmal pro Woche geht er einkaufen, trifft unterwegs Bekannte und bleibt so in Kontakt mit der Nachbarschaft. Zwei Mal pro Woche trainiert er im Athena Fitnesspark in Solothurn und ist dort nicht nur wegen seiner Disziplin bekannt, sondern auch wegen seiner positiven Art. Seit seinem 100. Geburtstag trainiert er dort als Ehrenmitglied, ein Geschenk des Inhabers Marcel Pesse. «Die Atmosphäre, die Geräte und die Trainer passen einfach für mich», sagt Paul. Auch im Yoga war er bis vor wenigen Jahren trotz seines hohen Alters noch fähig, den Kopfstand zu machen – was für eine beachtliche Leistung!

Bewegung begleitet ihn schon ein Leben lang: Turnverein, Männerriege, Velotouren und Wanderungen. Und auch heute noch ist er mit der Fachstelle für Sehbehinderte unterwegs, auf Ausflügen, bei Spaziergängen oder Museumsbesuchen. «Ich geniesse den Austausch und die vielen spannenden Gespräche, die dabei entstehen.»

«Ordnung und Bewegung geben mir Halt. Ich starte jeden Morgen mit klaren Aufgaben und freue mich auf Begegnungen im Fitnesscenter oder draussen. Wer dank-bar bleibt und anderen zuhört, entdeckt auch mit hundert Jahren noch Gründe zum Lachen.»

V. l. n. r. : Trainer Marc Zanetti, Paul Naef und «Athena»-Inhaber Marcel Pesse

Paul Naef ist fünffacher Urgrossvater. Drei seiner vier Kinder wohnen ganz in der Nähe, Enkel und Urenkel schauen regelmässig vorbei und bringen Leben in die Wohnung. «Ich bin sehr erfüllt», sagt er. Wünsche hat er keine, er freut sich einfach über jede Begegnung und über jeden neuen Tag. Sein Wunsch an die Gesellschaft? «Mehr zuhören. Nicht urteilen, sondern versuchen zu verstehen.» Was bleibt, ist der Eindruck eines Mannes, der mit beiden Beinen im Leben steht. Optimistisch, neugierig und mit ganz viel Herz. Sein Lieblingssatz: «Das Glas ist immer halb voll.»